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Berechnung der Spekulationsfrist beim Immobilienverkauf

Der Verkauf einer Immobilie, die sich im Privatvermögen befindet, ist in Deutschland grundsätzlich steuerfrei. Doch gibt es wesentliche Ausnahmen, die den Gewinn aus der Veräußerung einer Immobilie, die einer Privatperson gehört, steuerpflichtig machen. Wir werden immer wieder von unseren Kunden gefragt, wann der Verkauf einer Immobilie oder eines Grundstücks steuerfrei sei.

Diese Fragen beantworten wir in der Regel nicht selbst, sondern ziehen Geschäftspartner hinzu, die uns bzw. Ihnen als Steuerberater gerne die Antworten geben. Jeder Fall ist individuell zu betrachten und birgt Risiken, die Situation falsch einzuschätzen. Daher ist es immer ratsam, einen Fachmann zu befragen.

Wir wollen Ihnen aber gerne einen Überblick verschaffen und haben daher bei einem Fachmann nachgefragt. Wir haben Herrn Hans-Joachim Beck gebeten, uns diesbezüglich die steuerrechtliche Situation zusammenzufassen und für Sie darzulegen.

Herr Beck ist ehemaliger Vorsitzender Richter am Finanzgericht Berlin-Brandenburg, leitet die Abteilung Steuern in der IVD-Bundesgeschäftsstelle (Immobilienverband Deutschland) in Berlin und konnte für uns schon so manch schwierigen Sachverhalt klären.

Gewinn aus privaten Veräußerungsgeschäften (Spekulationsgewinn) §23 EstG

Das Grundstück gehört zum Privatvermögen

Gehört das Grundstück nicht zum Betriebsvermögen einer Firma, sondern zum Privatvermögen, so ist ein Gewinn aus der Veräußerung des Grundstücks grundsätzlich steuerfrei. Der Gewinn gehört nicht zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG), weil diese Einkunftsart nur das Entgelt für die Nutzungsüberlassung erfasst. Eine Ausnahme gilt nur gemäß § 23 EStG, wenn das Grundstück innerhalb von 10 Jahren nach der Anschaffung wieder verkauft wird. In diesem Fall ist der Gewinn steuerpflichtig; er unterliegt dem normalen, sogenannten tariflichen Steuersatz. Anders als in anderen Ländern gibt es in Deutschland keinen ermäßigten Steuersatz für Gewinne aus privaten Veräußerungsgeschäften.

Die Berechnung der Spekulationsfrist von 10 Jahren bei Immobilien

Die schuldrechtlichen Kaufverträge

Maßgeblich für die Berechnung der Frist von 10 Jahren sind die beiden schuldrechtlichen Kaufverträge. Zur Verdeutlichung spricht man häufig von den „Notarverträgen“. Unerheblich ist, wann der Wechsel von Nutzen und Lasten stattfindet und wann der Erwerber als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen wird.

Beispiel

Herr A hat mit Vertrag vom 10. Juni 2005 ein Grundstück gekauft.  Mit Vertrag vom 5. Juni 2015 verkauft er das Grundstück wieder. Der Lastenwechsel wird für den 1. August 2015 vereinbart. In das Grundbuch wird A am 12. Oktober 2015 eingetragen.

Lösung

Die 10-Jahresfrist beginnt mit dem Tag des Vertragsabschlusses am 10. Juni 2005. Steuerpflichtig ist die Veräußerung, wenn der Vertrag über den Verkauf innerhalb von 10 Jahren abgeschlossen wird. Die Frist berechnet sich gemäß § 108 Abgabenordnungen (AO) nach den Vorschriften des BGB (§§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 und 3 BGB) und läuft daher mit Ablauf des Tages ab, der seiner Zahl nach demjenigen entspricht, in dem der Kaufvertrag abgeschlossen worden ist.  Die Frist läuft daher mit dem 10. Juni 2015 ab, sodass A den Vertrag über den Verkauf des Grundstücks erst am 11. Juni 2015 unterschreiben dürfte, wenn er die Steuerpflicht vermeiden will. Da er den Kaufvertrag vorher abgeschlossen hat, ist der Veräußerungsgewinn steuerpflichtig. Dass der Wechsel von Nutzen und Lasten erst nach Ablauf der 10 Jahre stattfindet, ist unerheblich. Denn Wechsel von Nutzen und Lasten ist nur insofern von Bedeutung, als A erst von da an die Gebäude-AfA und die Betriebskosten als Werbungskosten abziehen kann.

 

Kaufvertrag, der beide Parteien rechtlich bindet.

Maßgeblich ist der Kaufvertrag für die Berechnung der Frist erst dann, wenn er für beide Parteien rechtlich bindend ist. Dies gilt sowohl für den Ankauf als auch den Verkauf des Grundstücks.

 

Schenkung und Erbfall sind keine Veräußerung

Die unentgeltliche Übertragung eines Grundstücks ist keine Veräußerung i.S. des § 23 EStG und kann daher keine Steuerpflicht auslösen.

Beispiel

Herr A hat mit Kaufvertrag vom 15. Oktober 2009 ein Grundstück für 1,0 Mio. € erworben. Er schenkt dieses Grundstück am 8. Juli 2015 seiner Tochter. Der Verkehrswert des Grundstücks beträgt zu diesem Zeitpunkt 1,2 Mio. €.

Lösung

Die Wertsteigerung von 200.000 € ist nicht nach § 23 EStG steuerpflichtig. Die Schenkung stellt keine Veräußerung dar, weil es sich um eine unentgeltliche Übertragung handelt.

 

Zeitpunkt der Anschaffung beim unentgeltlichen Erwerb durch Erbfall oder Schenkung

Hat der Verkäufer das Grundstück unentgeltlich durch einen Erbfall oder durch eine Schenkung erworben, so stellt dies auch keine Anschaffung dar, weil der Erwerb unentgeltlich ist. In diesem Fall ist gemäß § 23 Abs. 1 Satz 3 EStG sowohl für die Berechnung der Frist als auch der Höhe des Gewinns die Anschaffung durch den Erblasser oder den Schenker maßgeblich.

 

Entnahme aus dem Betriebsvermögen

Als Anschaffung gilt auch die Überführung eines Grundstücks aus dem Betriebsvermögen in das Privatvermögen durch Entnahme oder Betriebsaufgabe.

Steuerfreiheit bei Selbstnutzung

Dauer der Selbstnutzung

Auch wenn das Grundstück innerhalb der Frist von 10 Jahren verkauft wird, ist der Gewinn gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG steuerfrei, wenn das Grundstück zu eigenen Wohnzwecken genutzt worden ist. Die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken muss

  • während des gesamten Zeitraums zwischen Anschaffung (oder Fertigstellung) und Veräußerung
    oder
  • im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren

ununterbrochen stattgefunden haben.

Beispiel

A kauft vom Bauträger mit Vertrag vom 7. Juli 2013 ein Einfamilienhaus. Das Gebäude wird zum 1. März 2014 fertiggestellt. A zieht mit seiner Familie in das Haus ein. Mit Vertrag vom 4. Oktober 2015 verkauft A das Haus wieder, weil er aus beruflichen Gründen umziehen muss. Der Lastenwechsel wird zum 1.Dezember vereinbart.

Lösung

Der Gewinn aus der Veräußerung ist steuerfrei. Allerdings ist die zweite der beiden Voraussetzungen nicht erfüllt. A hat das Haus nicht im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren selbst genutzt, weil das Haus erst im Jahr vor der Veräußerung fertiggestellt wurde. A hat aber die erste der beiden Voraussetzungen erfüllt, weil das Haus seit seiner Fertigstellung bis zur Veräußerung ununterbrochen selbst genutzt hat. Die Voraussetzung für die Steuerfreiheit wäre aber nicht erfüllt, wenn A das Haus vor dem Verkauf vermieten würde. Maßgeblich ist insofern der Lastenwechsel.

Beispiel

Fallabwandlung

A vermietet das Haus noch für den Monat November 2015 an einen Dozenten.

Lösung

In diesem Fall wäre der Veräußerungsgewinn nicht steuerfrei, weil das Haus bis zum Lastenwechsel nicht ausschließlich selbst genutzt wurde. Die Finanzverwaltung legt das ausschließlich dahingehend aus, dass die Selbstnutzung ununterbrochen gewesen sein muss. Unschädlich wäre es dagegen, wenn A das Haus zum 1. November räumen und bis zum 1. Dezember leer stehen lassen würde. Die erste der beiden Alternativen sollen die Fälle erfassen, in denen der Zeitraum zwischen Anschaffung bzw. Fertigstellung kürzer ist als in der zweiten Alternative. Man kann aber daraus den Grundsatz ableiten, dass ein Haus, das nie vermietet und immer nur selbst genutzt wurde, stets steuerfrei verkauft werden kann. Wurde das Gebäude zunächst vermietet, kommt es darauf an, dass es in dem Jahr der Veräußerung und in den beiden letzten Jahren vor der Veräußerung – ununterbrochen – selbst genutzt wurde. Die Selbstnutzung muss bis zum Lastenwechsel andauern. Dabei gilt auch ein Leerstand als Selbstnutzung, wenn dem Verkäufer die Wohnung noch zur Verfügung steht. Die Selbstnutzung muss nicht in den vollen Jahren stattgefunden haben, es muss sich aber um einen zusammenhängenden Zeitraum handeln.

Beispiel

A hat im Jahre 2009 eine vermietete Eigentumswohnung gekauft.  Zum 1. Oktober 2013 ist der Mieter ausgezogen, sodass A mit seiner Familie am 1. November 2013 in die Wohnung eingezogen ist. Mit Kaufvertrag vom 4. Oktober 2015 verkauft A die Wohnung wieder. Der Lastenwechsel findet zum 1. Dezember 2016 statt.

Lösung

Auch in diesem Fall ist der Gewinn aus dem Verkauf der Wohnung steuerfrei. Allerdings hat A die erste Alternative nicht erfüllt, weil er die Wohnung seit der Anschaffung nicht ununterbrochen selbst bewohnt, sondern zunächst vermietet hat. A hat die Wohnung jedoch „im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren“ selbst genutzt. Denn er hat die Wohnung im Jahre 2015 und in den Jahren 2014 und 2013 – ununterbrochen – selbst genutzt. Nicht erforderlich ist, dass er die Wohnung während des gesamten Jahres 2013 selbst bewohnt hat. Denn die zweite Alternative der Steuerbefreiung enthält keine Voraussetzung, dass die Wohnung während dieser Jahre ausschließlich selbst genutzt worden sein muss. Die Selbstnutzung muss daher nicht die vollen drei Kalenderjahre vor der Veräußerung umfassen. Es muss sich aber um einen zusammenhängenden – ununterbrochenen – Zeitraum handeln. Daher greift die Steuerbefreiung nicht ein, wenn die Wohnung innerhalb dieses Zeitraums vermietet wird.

 

Berufliche Mitbenutzung

Nutzt der Steuerpflichtige einen Teil des Gebäudes für seine beruflichen Zwecke, etwa im Rahmen eines Gewerbebetriebs oder einer freiberuflichen Tätigkeit, gilt für diesen Teil die Steuerbefreiung nicht. Denn Voraussetzung ist die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken. Dies gilt nach Ansicht der Finanzverwaltung auch dann, wenn er von seinem Wahlrecht nach § 8 EStDV Gebrauch gemacht und diesen Teil der Wohnung trotz der betrieblichen Nutzung nicht zum Betriebsvermögen genommen hat, weil er von untergeordneter Bedeutung ist (Der Wert des eigenbetrieblichen Grundstücksteils beträgt nicht mehr als ein Fünftel des Wertes des gesamten Grundstücks und nicht mehr als 20.500 €.)  Auch bei einem Arbeitnehmer gilt die Steuerbefreiung nicht, soweit er die Wohnung als Arbeitszimmer nutzt. Denn auch insoweit dient die Wohnung nicht zu Wohnzwecken. Dies gilt nach Ansicht der Finanzverwaltung auch dann, wenn die Aufwendungen für das Arbeitszimmer gemäß § 4 Abs. 5 Nr. 6 b EStG vom Abzug als Werbungskosten ausgeschlossen sind.

 

Mitbenutzung durch andere Personen

Eine Selbstnutzung liegt vor, wenn der Eigentümer die Wohnung

  • alleine,
  • mit seinen Familienangehörigen oder
  • mit Dritten

gemeinsam bewohnt.

Beispiel

A hat am 22. August 2010 eine Eigentumswohnung gekauft und am 7. Juli 2015 wieder verkauft. Die Wohnung hat er gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin bewohnt. Der Gewinn aus der Veräußerung ist steuerfrei, weil A die gesamte Wohnung – auch – selbst bewohnt hat.

 

Zeitweise Nutzung

Eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken liegt auch dann vor, wenn die Wohnung von dem Eigentümer nur zeitweise zu eigenen Wohnzwecken genutzt wird, ihm in der übrigen Zeit jedoch zu Wohnzwecken zur Verfügung steht. Daher gelten auch Wohnungen, die im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung genutzt werden, als selbstgenutzt. Das Gleiche gilt für Ferienwohnungen, die nicht zur Vermietung bereitgehalten, sondern ausschließlich selbst genutzt werden.

 

Unentgeltliche Überlassung

Eine unentgeltliche Überlassung der Wohnung stellt nur dann eine Selbstnutzung dar, wenn die Wohnung einem Kind überlassen wird, für das der Eigentümer Anspruch auf Kindergeld oder den Freibetrag nach § 32 Abs. 6 EStG hat. Gemäß § 32 Abs. 4 EStG wird ein Kind allenfalls bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres berücksichtigt.

Beispiel

A wohnt mit seiner Familie in Stuttgart. Als sein Sohn nach Konstanz zieht, um dort zu studieren, kauft A im Jahre 2013 eine Eigentumswohnung, die er seinem Sohn unentgeltlich überlässt. Am 22. August 2015 verkauft A diese Wohnung wieder. Der Veräußerungsgewinn ist steuerfrei, weil A für seinen Sohn einen Anspruch auf Kindergeld hat. Zu berücksichtigen ist insofern, dass Kinder höchstes bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres berücksichtigt werden und dass die Sonderbehandlung der Nutzungsüberlassung an Kinder in dem Augenblick endet, in dem der Anspruch auf Kindergeld entfällt. Hätte A seinem Sohn die Wohnung vermietet, wäre der Veräußerungsgewinn steuerpflichtig. In diesem Fall hätte A aber die Kosten für die Wohnung wie insbesondere die Schuldzinsen und die AfA als Werbungskosten geltend machen können.

Rechtlicher Hinweis: Dieser Beitrag ist rechtlich unverbindlich und stellt keine haftungsauslösende Steuer- oder Rechtsberatung dar. Für belastbare Informationen in Ihrem konkreten Einzelfall stehen Ihnen zwecks Beratung berufene Rechtsanwälte und/oder Steuerberater zur Verfügung.

 

Rechtsberater Hans-Joachim Beck

VRFG a.D. Hans-Joachim Beck

Rechtsberater Referat Steuern/IVD